Der wahre Herr von Cromwell

Wieder lief ich durch die langen Gänge des Anwesens, blieb dann aber stehen, und musterte nochmals das Inventar. Warum wir hier her gezogen waren? Nun, meine Entscheidung war es sicher nicht. Zumindest brachte es etwas Abwechslung. Das war also nun mein neues Domizil? Nun ja, der werte Herr Direktor, von dem mein Mensch dauernd sprach hatte einfach keinen Sinn für Stil. Irgendwann musste jemand den Menschen einmal erklären, was stilvoll leben heißt.

Kurz schnaubte ich und schüttelte den Kopf, während einige der Schreihälse an mir vorbeiliefen. Sicher, einige davon waren ganz nett, Beispielsweise die Blinde von den Sehern, doch vernachlässigte auch sie ihre eigentlichen Pflichten. Selbst mein Mensch vernachlässigte diese wegen seiner angeblich so wichtigen Arbeit. Hätte Gott gewollt, dass der Mensch arbeiten geht, statt sich um die wichtigen Dinge zu kümmern, hätte er ihm keine Hände gegeben.

Kurz erstarrte ich. Dieses Stakkato von Absätzen kannte ich doch. Ah, der gute Damian war mal wieder auf dem Weg zu einer seiner Vorlesungen. Ein sympathischer Zeitgenosse. Zwar etwas grob, jedoch wusste er, was Stolz und Ehre bedeuteten. Sicher, auch er hatte eigentlich vor mir zu Buckeln, immerhin war ich der Herr über Cromwell. Als rangältester Mann kam mir diese Aufgabe zu. Sicher gab es noch andere, jedoch waren sie jünger oder Weibchen und hatten mich deswegen zu respektieren. Kurz nickte ich Damian zu, was dieser natürlich nicht bemerkte. Typisch Mensch. Da lässt man sich dazu herab, ihnen ein Kopfnicken zu schenken, und sie bemerken es nicht mal. Und so was nennt sich nun begabter Magus…

Kurz blickte ich ihm noch nach, ehe ich mich weiter aufmachte. Mein Lunch wartete, und wollte verzehrt werden. Ich war so oder so der Meinung, dass es hier viel zu wenig zu dinieren gab. So nagte der Herr von Cromwell also jederzeit am Hungertuch.

„Guten Tag die Dame“, grüßte ich kurz, als ich meine werte Kollegin traf, welche gerade aus dem Büro des Direktors zurückkam.

„Guten Tag der Herr. Ihr Mensch wird langsam etwas unaufmerksam. Ich habe ihm heute Mittag einen Besuch abgestattet, und er hat einfach weiter mit den Menschen gesprochen, statt seinen Pflichten nachzukommen. Bitte maßregeln sie ihn dafür.“

Ich schmunzelte. So einer attraktiven Dame konnte ich einfach nichts abschlagen. „Selbstverständlich, Gnädigste. Ich werde mich darum kümmern. Angenehme Schlafruhe wünsche ich.“
Kurz nickte sie mir nochmals zu, dann lief sie an mir vorbei in Richtung Garten. Bei dem Wetter lockte es mich auch, mir die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen, jedoch war das Futter gerade wichtiger. Außerdem galt es noch meinen Menschen zu disziplinieren.

Es dauerte noch eine gefühlte Ewigkeit, bis ich endlich am Büro meines Menschen ankam. Wieder sah er nicht mal auf, als ich den Raum betrat, noch erhob er sich, wie es sich für einen Bediensteten gehörte. Langsam verrohten hier die Manieren.

„Hey, Mensch!“, rief ich kurz, was ihn aufschrecken ließ. Na also…, ging doch. Zumindest war der Lunch schon angerichtet, so dass ich mich erst einmal an dem Lachs mit Reis und Soße gütlich tat. Dann ging ich wieder zu meinem Menschen hinüber und blickte ihn einfach nur vielsagend an. Schließlich verstand er endlich, immerhin waren Menschen recht schwer von Begriff, und ließ endlich von dieser unsinnigen Schreiberei ab und machte mir Platz.

Pater Ignatius lächelte gütig.

„Ich hoffe es hat geschmeckt, Solideo? Autsch!“ zischte er kurz auf, als sich die Krallen des Katers in seinen Oberschenkel bohrten.

„Was hast du denn?“ fragte er, was der Kater nur mit einem kurzen Mauzen beantwortete. Wie es schien, hielt der Kater es für selbstverständlich, dass er die oberste Priorität genoss.

„Ist ja gut, ich hab halt viel zu tun,“ meinte der Pater und begann, den Kater am Bauch zu kraulen.

Sicher, es tat mir doch etwas leid, ihn maßregeln zu müssen, doch hatte ich es versprochen, und ich pflegte meine Worte zu halten. Nun genoss ich jedoch erst mal die Streicheleinheiten. Ach Gott, es war schon schwer, anständiges Personal zu finden. Dieser verstand es zumindest, an welchen Stellen der Mensch zu kraulen hatte. Das mangelnde Futter würden wir später abklären müssen.

Nun genoss ich vorerst das, was mir als Herr von Cromwell zustand. Immerhin war ich ein Kater.