„Zieh das an“, sagte Tamara und hielt eine bunte Harlekinmütze hoch.
Valerian verschränkte die Arme.
„Die ist viel zu groß. Mal davon abgesehen, dass die peinlich auszieht.“
Die Wicca zeigte sich davon unbeeindruckt.
„Sie ist nicht peinlich, sondern festlich. Zieh sie an.“
„Ich will nicht. Was ist aus den guten deutschen Tradition geworden?“
Graciano fühlte sich berufen in die Bresche zu springen.
„Da muss ich Valerian Recht geben. Es ist zu schade, dass heute kaum jemand weiß, dass der 31. Oktober Reformationstag ist. Geschweige denn, wer oder was reformiert wurde.“
Cendrick brach in Gelächter aus.
„Ich habe heute einen Podcast gehört. Darin wurden Leute befragt, was sie von Protestanten halten. Die meisten haben sich daraufhin echauffiert, wie unmöglich sie es finden, dass die Leute nur noch protestieren würden – anstatt zu arbeiten“, sagte er giggelnd.
Der Magier hatte sich in einen weiten Mantel gehüllt, wie sie die Meister der arkanen Künste trugen, oder zumindest, wie Hollywood sich jene vorstellte.
„Demonstranten und Protestanten klingt wirklich zu ähnlich“, bemerkte Katherina ironisch.
Sie trug ein langes schwarzes Kleid und sah damit aus, wie ein junge Morticia von der Adams Family.
„Endlich haben die Deutschen wieder ein Fest der WICCA eingeführt! Und wenn es noch so kommerzialisiert ist: wir feiern heute Halloween!“, beharrte Tamara.
Die Hexe hatte sich in Kleider gehüllt, die ihrem Orden alle Ehre machte. Sie hatte sich sogar eine künstliche Warze auf das Kinn geklebt. Alle ihre Freunde hatten sich verkleidet, nur einer weigerte sich standhaft.
„Komm schon, Valerian. Wir kommen sonst zu spät“, rief Linda und zupfte an ihrer anliegenden Kleidung herum.
Ihre Freundinnen hatten ihr einen Haarreif mit flauschigen Katzenohren besorgt. Aufgemalte Schnurrbarthaare rundeten das Bild einer Schmusekatze ab.
Es war nicht einfach gewesen für Graciano eine Verkleidung zu finden. Seine Prinzipientreue und seine Anhänglichkeit zum Reformationstag hatten die Freunde schließlich auf die Idee gebracht, ihn als einfachen Mönch zu verkleiden. So stellte er eine junge Variante des Martin Luther dar.
„Es ist einfach eine Mütze, Valerian. Sie wird sich nicht umbringen“, fauchte Tamara gereizt.
„Wenn sie niemanden umbringt, warum trägst du sie dann nicht?“, erwiderte er bockig.
Der Unsterbliche litt an Unterzuckerung. Seine Freunde hatten alle seine Schokoriegel versteckt und ihm angedroht, dass er erst wieder welche bekommen würde, wenn er sie zur Feier in die Aula begleitete.
„Ich habe ein komplettes Kostüm! Jeder von uns hat eins, nur du nicht! Jetzt hör sofort auf, dich wie ein Kleinkind zu benehmen und beweg deinen Hintern, Wagner, oder ich mach dir Beine“, drohte die Hexe.
Cendrick boxte dem schmollenden Unsterblichen auf den Arm.
„Ich würde auf sie hören, wenn ich du wäre. Die WICCA übt seit einer Woche besonders fiese Flüche. Du möchtest nicht ihr nächstes Opfer werden.“
Seufzend nahm Valerian den hingehaltenen Kopfputz an sich und maulte:
„Von mir aus. Aber sobald ich unten ankomme, zieh sich das Ding wieder ab, das garantiere ich euch.“
Beleidigt marschiert er aus dem Raum heraus, Tamara auf den Fersen.
„Das werden wir dann noch sehen“, bemerkte sie und dachte grimmig lächelnd an den Haftzauber, den sie auf die Mütze gehext hatte.
Happy Halloween!